Chronik vum Piusverband 1969 - 1994
Wiederholt war bereits in den fünfziger Jahren der Wunsch geäußert und das Anliegen vorgebracht worden, die Kirchenchöre unseres Landes, wie es bereits seit längerem im Ausland der Fall war, in einem nationalen Verband zusammen zu schließen. Denn der Zusammenschluss aller Chöre sowie die Zusammenarbeit in einem geeinten Verband würden sich, so die diesbezüglichen Erwartungen, fördernd, aktivierend und positiv auf sämtliche Mitgliedervereine auswirken.
Die Vorläufer des Piusverbandes
Nicht dass es bis zu jenem Zeitpunkt noch keine Kirchenchöre gegeben hätte: Kirchengesang und Kirchensänger bestehen hierzulande, seit Gottesdienst gefeiert wird.
In jüngster Vergangenheit gewannen sie jedoch an Bedeutung, nachdem Papst Pius XII. zu Weihnachten 1955 die Enzyklika „Musicae sacrae disciplina" veröffentlichte, die dem Kirchengesang neue Impulse vermitteln sollte. Deshalb auch setzte der Bischof von Luxemburg, Mgr Léon Lommel, im Jahre 1957 eine kirchenmusikalische Kommission ein, der Generalvikar Jean Hengen als Präsident, Jean-Pierre Schmit als Sekretär sowie Robert Claude, M. Conradt, Henri Goergen, A. Hoffmann und M. Steinmetz als Mitglieder angehörten; 1959 wurde außerdem J.-P. Kinn und 1960 René Ponchelet aufgenommen.
Erste und vorrangige Aufgabe der neuen Kommission war die Ausarbeitung des neuen mehrstimmigen Diözesangesangbuches; 1958 erschien die Ausgabe für vierstimmigen gemischten Chor, diejenige für dreistimmigen Männerchor erhielt am 15. Februar 1961 die Druckerlaubnis.
Außerdem wurde an die Herausgabe eines neuen Magnificat gedacht; da hier verschiedene Instanzen an der Ausarbeitung und an der Begutachtung beteiligt waren, kam es erst etwas später heraus. Das Geleitwort des Bischofs von Luxemburg trägt das Datum des l. November 1963.
Auch die Kirchenchöre sollten in diese Neubelebung einbezogen werden. Deshalb erließ der Kirchliche Anzeiger in Nummer 16/1957, S. 24, folgenden Aufruf: „Seit längerer Zeit schon denkt das Bischöfliche Ordinariat daran, die kirchlichen Cäcilienvereine zu einem Verband zusammenzuschließen." Alle Pfarrer und Chorleiter, die an einem solchen Zusammenschluß interessiert seien, möchten sich bis zum l. Mai 1957 melden.
Es sollte allerdings vier Jahre dauern, bis der Bischof von Luxemburg am 12. März 1961 ein Dekret mit folgendem Wortlaut erließ: „Auf Wunsch vieler Kirchenchöre und nach Anhören der kirchenmusikalischen Kommission haben Wir beschlossen, eine Vereinigung der Kirchenchöre unserer Diözese ins Leben zu rufen. Zu diesem Zweck haben Wir am heutigen Tage die nachstehenden Statuten genehmigt. Das Bischöfliche Ordinariat ist mit der Ausführung dieses Beschlusses betraut."
Im Jahre 1960 hatte sich nämlich eine Gruppe sangesfreudiger Geistlicher darangesetzt, Statuten für einen Verband auszuarbeiten.
Und so wurde 1961 auf Initiative des Bischöflichen Ordinariats der „Piusverband" aus der Taufe gehoben; am 16. März 1961 wurden die Statuten im vorgenannten Kirchlichen Anzeiger auf den Seiten 33 bis 35 veröffentlicht.
§Der Piusverband wird aus der Taufe gehoben
Die Leitung der neuen Vereinigung lag ausschließlich in den Händen der kirchlichen Behörde. Im Vorstand war allerdings der Kathedralchor mit einem Delegierten vertreten, und auch jedes Dekanat entsandte einen Vertreter. An der Spitze stand jedoch ein vom Bischof ernannter Geistlicher als Generalpräses, dem acht weitere, ebenfalls vom Bischof ernannte Mitglieder zur Seite standen. Auch gehörte von Rechts wegen die kirchenmusikalische Diözesankommission in ihrer Gesamtheit dem Verband an.
Das Bischöfliche Ordinariat verschickte alsdann einen Aufruf an die Kirchenchöre des Landes, ihren Beitritt zum neuen Piusverband bis zum l. Mai 1961 kundzutun. Am 10. Mai wurden auch die Pfarrer mit Anmeldeformularen für die Chöre befasst. Bis zum Jahre 1965 gehörten, den Unterlagen nach, 110 kirchliche Gesangvereine, 64 ausschließliche Männergesangvereine und 46 gemischte Chöre, mit 3071 Sängern dem Piusverband an.
Am Nikolaustag, dem 6. Dezember 1961, fand im Volkshaus in Luxemburg die Gründungsversammlung statt, an der zahlreiche Vertreter von Kirchenchören aus allen Teilen des Landes teilnahmen.Die Zahl der bereits nach kurzer Zeit eingeschriebenen Mitglieder erreichte mehr als 100 Chöre. Doch dann wurde es sechs Jahre still um den Piusverband, bis am 22. Mai 1967 ein neuer Start erfolgte. In der Zwischenzeit berief Papst Johannes XXIII. das Zweite Vatikanische Konzil ein, das unverzüglich mit seiner ersten Konstitution die Reform der Liturgie einleitete.
Diese Reform bewirkte, dass hierzulande der Wunsch nach Aufklärung bezüglich Sinn und Zweck, aber auch Durchführung und Ausführung der neuen Bestimmungen, bei den Verantwortlichen der Kirchenchöre noch eindringlicher wurde. Es schien unumgänglich und somit von vorrangiger Bedeutung, eine dem Bischof unterstehende Dienststelle ins Leben zu rufen mit dem Ziel, den Pfarrern, Dirigenten und Organisten, aber auch den Cäcilianern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, damit die Konzilsbestimmungen nicht toter Buchstabe blieben.
Auf Wunsch des damaligen Bischofs, Mgr Dr Léon Lommel, fanden sich Anfang Mai 1967 mehrere Geistliche zu einem diesbezüglichen Gedankenaustausch zusammen, der ergab, dass die Mitarbeit der Laien im Sinne des II. Vatikanischen Konzils nicht nur erwünscht, sondern geradezu erforderlich sei.
Am 22. Mai 1967 fand die zweite Zusammenkunft der Arbeitsgruppe statt, an der neben neun Geistlichen auch acht Dirigenten und mehrere mit liturgischen Aufgaben betraute Laien teilnahmen. Diese Zahl sollte sich jedoch mit jeder nachfolgenden Sitzung erhöhen.
In Erwartung einer endgültigen Strukturierung des Verbandes wurde die „Bischöfliche Arbeitsgruppe für die Musik in der Liturgie" ernannt. Hauptaufgaben der Gruppe sollten sein: die Neubelebung des Piusverbandes, die Schaffung eines „Centre de Documentation", die Herausgabe eines Informationsblattes, die Durchführung von Informationstagungen, Kontaktbegegnungen, gemeinsam erarbeiteten Liturgiefeiern und geistlichen Konzerten. Ein an die Pfarreien des Landes verschicktes Rundschreiben im Hinblick auf die Anpassung und auf die Ergänzung der seit dem Jahre 1961 bestehenden Kartei mit Angaben über die Kirchenchöre erbrachte erfreulicherweise mehr als 300 Antworten.
Um die Schaffung des „Centre de Documentation" in die Wege zu leiten, wurde Kontakt zu mehr als 40 Verlagen des In- und Auslandes aufgenommen. Im Laufe der Jahre sammelten sich manche Musikalien zusammen, die in den Jahren 1992 und 1993 durchgesehen und katalogisiert wurden. Dechant Jean Heinisch stellte zuvorkommenderweise im Pfarrhaus der Herz-Jesu-Pfarrei in Luxemburg-Bahnhof Räumlichkeiten zur Verfügung, in denen auf Nummer 2 in der Rue du Fort Elisabeth ein Dokumentationszentrum eingerichtet wurde.
Am 3. September 1967, dem Fest des Papstes Pius X., verfasste Bischof Mgr Léon Lommel ein bischöfliches Geleitwort, das in der achtseitigen Nummer l des neugeschaffenen, mit einer Auflage von 7000 herausgegebenen „Canticum Novum, Verbindungsblatt des Piusverbandes" im Oktober 1967 veröffentlicht wurde und in dem es auszugsweise wie folgt heißt:
„Für die Feier der Liturgie ist jeder Bischof in seinem Bistum verantwortlich. Eine umfassende Reform der römischen Liturgie ist eingeleitet; sie stößt aber auf manche Probleme - besonders kirchenmusikalischer Natur, - deren Lösung eine Zusammenarbeit auf möglichst breiter Basis notwendig macht. Deshalb begrüßt es der Bischof, dass eine Gruppe von Geistlichen und Laien sich zusammenfindet, um die Fragen über Gesang und Musik im Gottesdienst zu studieren. Dieser Arbeitskreis soll die Verbindung herstellen zwischen dem Bischof und allen, die sich am Gesang und an der Musik in der Liturgie beteiligen. In aller Besonnenheit und Klugheit gilt es die Liturgiereform im Sinne des nachkonziliaren Liturgierates (Consilium) durchzuführen, unter Vermeidung aller extremen Richtungen. Dabei soll die traditionelle Kirchenmusik (Choral und Polyphonie), soweit sie mit der Neuordnung der Liturgie in Einklang steht, geschätzt und weiter verwendet werden.
Damit dieses Ziel erreicht werden kann, ruft der Bischof alle Verantwortlichen: Pfarrer, Sänger, Chorleiter und Organisten zur Mitarbeit auf. Das Verbindungsblatt soll die notwendige Information liefern, aber auch ein Mittel des konstruktiven Dialogs sein. Diesen Bestrebungen wünscht der Bischof verständnisvolle Aufnahme und vollen Erfolg."